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Karrieretreppe mit Aussicht auf lächelnde Brüste - Wie man 2021 ein erfolgreiches Model wird

Wir schreiben den 04. Februar 2021 und drei Dinge in der deutschen Medienlandschaft sind gewisser denn je.
Die Clubhouse App wird zukünftig ohne Omnipräsenz von Candycrush-Ramelow auskommen müssen, Haribomann und das blonde Busenwunder werden nicht mehr zu (un)-politischen Inhalten über ihre white fragility „Rassismuserfahrungen“ im Öffentlich-rechtlichen befragt und nur ein Mädchen wird Germanys Next Diversity Diamond und bekommt einen Knebelvertrag bei der Klumschen Agentur Oneeinsfab in der Modemetropole Odenthal.

 

Eins steht aber fest: selten gab es einen so vielfältigen Cast wie in diesem Jahr und auch wenn die Sendungsmacher vermutlich nicht aus reiner Überzeugung und Nächstenliebe den roten Teppich für weniger klassische Modelanwärterinnen, sondern für Mädels mit körperlichen Einschränkungen, Transgendern und Petite sowie Plus Size Girls ausrollen und vielmehr versuchen, sich von den Mobbing Eskapaden der letzten Staffel rein zu waschen, möchte ich betonen, dass eine positive Veränderung, hin zu mehr Raum für Individualität, auch aus moralisch fraglichen Beweggründen, immer noch positiv ist.

 

 

Kandidatin Maria Schimanski (21) aus Flensburg, ist gehörlos und hat für die Dreharbeiten ihren persönlichen Übersetzer dabei. Sie wünscht sich, dass die anderen Mädchen sich Mühe geben, mit ihr zu kommunizieren.

Long Dong Johnson und Little Willy

Nicht so positiv sieht in diesem Jahr hingegen die Reiseplanung aus.

Für Los Ääääängälääääs hat’s nicht ganz gereicht, weshalb Prosieben die Dreharbeiten der mittlerweile 16. Staffel von GNTM kurzerhand an einen ebenbürtigen Ort verlegt hat: in Berlins bekanntesten Strip Schuppen. Oder vielmehr - den Trainingsort des Adonis Geschwaders von Long Dong Johnson und Little Willy, auch bekannt als magischer Channing Tatum Abklatsch.

Fast so ungelenk wie Kandidatin Vanessa bei ihren ersten Gehversuchen mit hohen Absätzen, stolpert Heidi auffällig zufällig in die Probe dieser Gruppe Sixpacks auf zwei Beinen „Einfach so tun, als würde man sich für solche Jungs gar nicht wirklich interessieren.“ säuselt sie in die Kamera. Hysterisches Kichern, wilde Blicke und Klum scheint plötzlich nicht mehr stark auf die 50 sondern eher auf die 16 zuzugehen. Kopf hoch Tom, nimm’s nicht persönlich.

Der Leitsatz der heutigen Folge „Ihr müsst irgendwas haben, was Euch einzigartig macht.“, bekommt da eine ganz neue Bedeutung. Sein Body wars wohl nicht. Nichtsdestotrotz, the show musst go on. Das tut sie dann tatsächlich auch im wahrsten Sinne.                                   

DIE TREPPE - eine Mammutaufgabe

Die Modelanwärterinnen versammeln sich zu einer großen Catwalk Liveshow, ausgestattet mit Kleidern der Berliner Designerin Irene Luft, während Freunde und Familien von Zuhause aus das Spektakel in ihren iPads und Laptops beobachten können.

Kandidatin Romy trägt das erste Mal ein Glitzerkleidchen und stellt passend fest „Jetzt merkt man so langsam, dass man angekommen ist, in dieser Modelwelt.“ So einfach kann’s also gehen.
Apropos einfach gehen - natürlich sollen die Mädels nicht nur durch das Tragen schöner Kleider direkt in den Modelalltag katapultiert werden - als wären hohe Absätze und flatternde Roben nicht schon Überraschung genug, hat der Laufsteg einen verhängnisvollen Stolperstein eingebaut: eine Treppe. Mit Stufen.

Influencerin Romina steht unter Schock „Ich dachte: sind wir hier schon in Folge 5 oder 6?“
Wahrlich - das Hinuntergehen einiger Treppenstufen, die Hand am Geländer, einen Fuß vor den anderen setzend - eine solche Mammutaufgabe ist fast schon finalwürdig.

Wie schaffen das bloß die Vollzeitmamis mit Kleinkind ohne Aufzug aus dem dritten Stock?

Vielleicht sollte genau hier ein Catwalk Teaching angesetzt werden. Suchen Flaschenpost oder die DHL nicht eventuell noch Praktikantinnen? Der klassische Berliner Altbau wäre doch prädestiniert für einen Workshop dieser Art. Pakete und Einkäufe in die Hand und diese Einheit könnte zusätzlich noch als Fitnesstraining angesetzt werden. Ich sehe förmlich Bruce Darnell vor meinem inneren Auge „Die Einkaufstasche muss lebendig sein.“ Vielleicht sollte ich darüber nachdenken, ein zweites Standbein in der Storyline Entwicklung deutscher Unterhaltungsserien aufzubauen. Aber wir schweifen ab.

Zurück zu unseren Hobbybergsteigerinnen. Die haben mittlerweile die höchste Stufe auf der Mitleidstreppe erklommen, um wenige Augenblicke später wie in einem klassischen YouTube Fail-Video, reihenweise durchs Studio zu purzeln. Eine Treppe hinunter zu gehen ist in Folge 1 nunmal völlig deplatziert und definitiv eine Fortgeschrittenen-Lektion.

Das stellt auch Gastjuror Thierry Mugler fest, der vor Drehbeginn offensichtlich den selben Beautydoc wie Jenke von Wilmsdorff aufgesucht hat und einer Kandidatin rät, sie solle lieber nicht lächeln, damit hätte sie höhere Erfolgschancen. Charmant! Heidi fügt hinzu: „Ich lächle immer mit meinen Brüsten.“ Ich lasse das an dieser Stelle umkommentiert.

Manfred Thierry Mugler fotografierte während der Show einige Kandidatinnen mit seinem Handy.

Offensichtlich inspiriert zieht Kandidaten Linda jedoch kurzerhand blank und läuft in einem nudefarbenen Hauch von Nichts und mit verschränkten Armen den Catwalk entlang. Heidi feierts "Ich liebe mutige Mädchen, die zeigen, was sie haben. Bei Manfred und mir haben sie direkt bleibenden Eindruck hinterlassen."
Schön, wenn man noch mit Persönlichkeit und Einzigartigkeit in Erinnerung bleiben kann, so wie es in jeder Topmodelstaffel immer gepredigt wird.

„Jeder Mensch hat das Recht zu genießen, ein Mensch zu sein.“

Kandidatin Soulin floh vor dem Krieg in Syrien und machte ihr Abitur. Jetzt will sie Germany's Next Topmodel 2021 werden.                                                                                                                                                    

Wer beim Zuschauer jedoch auch angezogen in Erinnerung bleibt, ist vor allem Soulin.

 

Die gebürtige Syrerin flüchtete vor dem Krieg in ihrer Heimat nach Deutschland, schaffte, hingegen der Erwartungen ihrer Lehrer das Abitur und hat offensichtlich mehr in dieser Welt begriffen, als so mancher Spitzenpolitiker. „Jeder Mensch hat das Recht zu genießen, ein Mensch zu sein:“ BÄMM!

Für die nächste Folge wünsche ich mir mehr Soulins und weniger erzwungene Diversität. Die existiert nämlich von ganz allein, ohne dass es den Zuschauern immer wieder künstlich unter die Nase gerieben und damit schon fast eine Antihaltung erzeugt wird.

 

Sechs Kandidatinnen müssen die Show verlassen noch bevor es richtig los gegangen ist und ziehen nicht mit ein ins fancy Modelloft.

Der Einspieler für kommende Woche beginnt bereits vielversprechend. „Ich werde deine Beine brechen.“ Diesen Job hätte man auch einfach an oben erwähnte Treppe outsourcen können aber Kandidatin Liliana möchte das offensichtlich selbst übernehmen.

 

Folge zwei geht also so niveauvoll weiter zu gehen wie eh und je.

Ich bleibe dran.

Kommentare: 8
  • #8

    Sarah (Samstag, 06 Februar 2021 14:39)

    Allein für deine Kolumne lohnt es sich noch bei GNTM reinzuschauen! :D

  • #7

    Doris (Samstag, 06 Februar 2021 09:38)

    Danke liebe Jana für den tollen beitrag und deine Sicht dazu. Wir sehen es als kleine 1x im Jahr Fernseh-Auszeit und seichte Unterhaltung mit meiner Tochter seit einigen Jahren schon :-)
    Mittlerweile stellt aber auch meine Tochter mit 19 Jahren das ganze sehr in Frage. Die Charaktere scheinen anfangs harmonisch zu sein und plötzlich schon in der Vorschau zu Folge 2 geht der Zucken-Krieg los... Ich bin froh das meine Tochter Empathie, Freude, Humor und tolle Freunde hat und dies erkennt.
    Schade das dieses Format nur durch zicken-Krieg lebt und viel Werbung - dies schon nach 15 Minuten Sendezeit - wie nervig...
    wir haben als Frauen genug Stress im alltag bzw uns zu beweisen oder zu rechtfertigen - selbst ich mit 50 noch - ich brauche das nicht am abend auch noch....eigentlich...:-)
    na gut eine Folge noch :-) fang einmal an zu schauen und du bleibst dabei... man will ja nur wissen wie es weitergeht :-)
    Herzliche Grüße und bitte mach weiter so ❤️

  • #6

    Nicole (Samstag, 06 Februar 2021 06:51)

    Sehr spannend beschrieben Jana ... freue mich auf deinen nächsten Beitrag � tatsächlich freue ich mich noch mehr drauf die Staffel zu gucken wenn ich kurz darauf deine Beiträge lesen kann �LG

  • #5

    Charlotte (Samstag, 06 Februar 2021 00:08)

    Hey Jana, ich würde dir gerne ein Lob aussprechen für diesen sehr treffenden und unterhaltsamen Beitrag! Ich freu mich auf nächste Woche. LG & mach weiter �

  • #4

    Emily (Freitag, 05 Februar 2021 18:37)

    Wirklich sehr treffend und humorvoll formuliert. Hat Spaß gemacht beim lesen. Eine kleine Verbesserung, es war Bruce Darnell der zu Fiona Erdmann meinte: „ Die Handetasche muss lebendig sein.“ aber das nur am Rande. Ansonsten würde ich mich sehr über weitere Kolumnen zu GNTM #diversity freuen.

  • #3

    Mara (Freitag, 05 Februar 2021 18:17)

    Cooler Beitrag! Hab die Sendung gestern auch gesehen. Ich finde man hat an der Tatsache, dass trotz Gehorloser Teilnehmerin kein dauerhafter Untertitel eingeführt wurde, gemerkt, dass das Ganze einfach nicht durchdacht war und nur ganz oberflächlich angekratzt wird. Ps: Das Zitat mit der Handtasche war doch Bruce ;)

  • #2

    Anna (Freitag, 05 Februar 2021 17:05)

    Vielen Dank für diesen doch sehr humorvollen Beitrag! :) Besonders amüsant finde ich, dass Heidi nicht nur Diversität predigt, sondern ihre eigene Sendung dafür lobt, da Diversity in der Modelwelt momentan so sehr gefragt sei. Am Ende dürfen die Kandidatinnen aber trotzdem nur zu Castings, bei denen "klassische Models" gesucht werden. Am Ende stehen dann Kandidatinnen wegen ihrer Frisur/Größe/Gewicht ohne Job da, aber dann heißt es von Heidi doch wieder nur, dass man "dann eben ein bisschen mehr überzeugen muss".

  • #1

    Claire (Freitag, 05 Februar 2021 16:40)

    Liebe Jana, Maria hat Dolmetscher*innen dabei, keine Übersetzer*innen. Beim Übersetzen spricht man von der Schriftsprache, bzw. Texten, die ständig aus- und nachgebessert werden können. Dolmetscher*innen hingegen arbeiten „live“ und es bleibt wenig Spielraum für Nachbesserungen :)

    Liebe Grüße von einer angehenden Gebärdensprachdolmetscherin :)