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Lernen "Nein" zu sagen

Vielen Menschen fällt es schwer, Dinge abzulehnen, sich klar gegen etwas auszusprechen und ein deutliches "Nein" zu formulieren.

Glücklicherweise kann man lernen, selbstbewusst zu seinen Entscheidung zu stehen.


Ich selbst war lange nicht in der Lage, ganz offen und klar auf Anfragen mit einem "Nein" zu reagieren.

Viel zu oft habe ich Dingen zugestimmt, die ich eigentlich gar nicht wollte, aus Angst, der anderen Person vor den Kopf zu stoßen oder sonst eine negative Reaktion auszulösen.

Häufig spiegelt sich das in allen Lebenslagen wieder.

 

Ob als Kind, wenn man am Tisch bei den Großeltern aufessen sollte, obwohl man schon satt war.

In der Schule, wenn jemand zum fünften Mal die Hausaufgaben abschreiben will, weil er zu faul war, sie selbst zu erledigen.

In der Arbeitswelt bei anzüglichen Kollegen, die scheinbar in einer höheren Machtposition waren und man Angst vor den Folgen der Ablehnung hat.

Viele solcher Beispiele geschehen anfänglich nur im Kleinen aber ziehen sich unaufhaltsam immer weiter durch das eigene Leben, wie ein unentdeckt wachsender Tumor.

 

Die Fliegerei änderte Vieles in meinem Leben. So war ich durch meine Stellung als Purser das erste Mal in einer Position, Dinge nicht zu dulden, für mich und meine Kollegen Verantwortung zu übernehmen und einzustehen und ganz klare Grenzen aufzuzeigen. Dies brachte mich auch für meine weitere berufliche Laufbahn in der Selbstständigkeit ein ganzes Stück weiter.

Doch auch wenn man scheinbar sein Leben in Bahnen gelenkt hat, in denen man "nichts zu melden hat", kann man sich antrainieren, Stärke zu zeigen und zu seinem "Nein" zu stehen.

DIE URSACHE FINDEN

 

Wenn man "Ja" sagt aber eigentlich "Nein" meint, kann das verschiedene Gründe haben.

Oftmals hat man Angst vor einer Auseinandersetzung. Jemand, der immer "Ja" sagt, scheint ein unkomplizierter, positiver und stets bemühter Mensch zu sein. Man geht Konflikten einfach aus dem Weg und vermeidet scheinbar unnötige Spannungen.

Dies kann jedoch, vor allem in engen sozialen Kontakten, zu dauerhaften Problemen führen. Mit solch einem Verhalten stellt man die eigenen Bedürfnisse unter die der Anderen und vergisst dabei oftmals das persönliche Glück.

 

Gesät wird ein solches Verhalten häufig durch die Erziehung. Sätze wie "Solange Du Deine Füße unter meinen Tisch stellst.." oder "Was sollen die anderen denken?" prägen einen bereits in den frühkindlichen Erfahrungen mit dem Durchsetzen der eigenen Meinung. Sicherlich muss man hier zwischen pubertärer Rebellion und dem tatsächlichen Festigen des eigenen Charakters unterscheiden aber besonders jetzt im Erwachsenenalter ist es wichtig, die eigenen Handlungsmuster zu hinterfragen.

 

Auch auf partnerschaftlicher Ebene kann ein ständiges "Ja-Sagen" daher rühren, dass man sich permanent geliebt fühlen will. Hier ist es jedoch essenziell zu erkennen, dass der richtige Partner einen auch lieben wird, wenn man nicht immer derselben Meinung ist.

Eine Beziehung wächst an seinen Herausforderungen und aus dem unterschiedlichen Input zweier Individuen. Sie ist keine Einbahnstraße, wo der eine dem anderen immer beipflichten muss.

 

Ebenfalls gefährlich ist das Verhalten des typischen Machers.

Überall dabei, permanent erfolgreich und immer für Jeden greifbar. Jedem Problem nimmt er sich an, steht unerlässlich mit Rat und Tat zur Seite, getrieben durch das Gefühl, gebraucht zu werden oder es allen zu beweisen.

Jedoch muss man erkennen, dass man nicht die Last der ganzen Welt auf seinen Schultern tragen kann. Es ist gut, viel zu machen. Es ist toll, noch mehr zu machen. Aber es ist unmöglich, alles zu machen. Der Trieb danach wird über kurz oder lang zu einem Burn-Out führen, denn niemand auf der Welt schafft alles.

Auch mal Hilfe anzunehmen, sich einzugestehen, dass man keine weiteren Kapazitäten hat und in der Lage zu sein, Aufgaben abzugeben, sind der Schlüssel zu einem entschleunigteren, fokussierteren Selbst.

DER WEG ZUM "NEIN"

 

In dem Moment, wo man erkannt hat, aus welchen Beweggründen man immer wieder "Ja" sagt, sollte man sich über die richtige Vorgehensweise Gedanken machen die es braucht, um eine Bitte oder Anfrage zu verneinen. 


1. Empathisch sein

 

Zeig der anderen Person, dass Du sie ernst nimmst und Dir ihr Anliegen wichtig ist. Niemand wird gern trocken abgespeist. Ein einfaches "Ich kann Dich verstehen, jedoch habe ich leider keine Zeit/ sehe ich die Sache anders/ bin ich der Meinung, dass.. wirkt immer positiver, als eine stumpfe Verneinung.

2. Eine Alternative bieten

 

Manchmal würde man gern eine positive Antwort geben, hat aber aktuell keine Mittel dazu. Hier bietet es sich an, eine alternative Lösung zu finden.

"Ich kann Dich leider nicht zum Flughafen fahren aber ich könnte meinen Bruder fragen."

Überlegt gemeinsam nach einem Weg, mit dem alle Beteiligten einverstanden sind.

3. Einen Kompromiss finden

 

Genauso hilfreich wie die Alternative ist der Kompromiss.

Wenn zwei Personen etwas unterschiedliches möchten, liegt die Lösung manchmal in der Mitte.

Beispielsweise beim eigenen Kind. "Wir haben aktuell leider nicht die kompletten Mittel, um Dir die neuen Schuhe für 80 Euro zu kaufen. Wir können Dir aber den Kompromiss anbieten, dass Du die Hälfte der Schuhe selber bezahlst."

Für einen Kompromiss müssen beide Parteien gewillt sein, die Sicht des Anderen zu verstehen und aufeinander zuzugehen.

4. Zeitliche Unabhängigkeit

 

Häufig sagt man aus Stress oder Zeitmangel "Ja" um dann in einer ruhigen Minute festzustellen, dass man eigentlich "Nein" hätte sagen wollen.

Man ist aber nicht verpflichtet, immer sofort eine Antwort auf eine Frage zu geben. Mit "Ich melde mich später nochmal dazu" oder "Darüber muss ich mir erst Gedanken machen" schafft man sich ausreichend Zeit, ein Bewusstsein für die Situation zu bekommen und erst nach ausreichender Überlegung eine Antwort zu geben.

5. Das schlichte "Nein"

 

Auch wenn die vorherigen Argumente gute Lösungen sind, hat man es nicht immer mit einem Gegenpart zu tun, bei dem diese funktionieren. Zudem ist man auch nicht verpflichtet, sich permanent für seine Entscheidungen zu rechtfertigen.

In meinem Beruf, werden oft Absagen geschrieben, ohne einen Grund zu nennen. Wichtig dabei ist trotzdem, freundlich zu sein.

 

"Vielen Dank für Eure Anfrage bezüglich XY. Zum aktuellen Zeitpunkt muss ich eine Zusammenarbeit ablehnen/ kommt eine Zusammenarbeit für mich nicht in Frage/ besteht meinerseits kein Interesse. Alles Gute für Euch und eine sonnige Restwoche."

 

Dieses Beispiel lässt sich auch auf jede andere Situation im Leben ummünzen. Denn manchmal ist ein schlichtes und freundliches "Nein" wirkungsvoller, als alles andere.

STEP BY STEP

 

Selbstverständlich lassen sich alte Gewohnheiten nicht von heute auf Morgen abgewöhnen. Daher ist es wichtig, dass man sich Schritt für Schritt herantastet und und sich auch für kleine Erfolge auf die Schulter klopft.

Also - nicht vergessen:

Wenn Du "Nein" meinst, sag nicht das Gegenteil. Entscheide Dich nicht aus Angst vor den Konsequenzen für ein "Ja" wenn es nicht Deiner Überzeugung entspricht. Steh' zu Deinen Entscheidungen und bleib' auf Deinem Weg, denn am Ende musst auch nur Du ihn gehen.

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Kommentare: 3
  • #1

    Lisa-Marie Hartwig (Dienstag, 24 März 2020 18:54)

    Schöner Beitrag �Als Jugendliche habe ich ständig "Nein" gesagt. Meistens wenn Freunde was mit mir unternehnen wollten. Heute bereue ich es so gehandelt zu haben, weil ich jetzt das Gefühl habe, meine Jungend nicht richtig ausgelebt zu haben. Es gab aber dann einen Zeitpunkt, von dem an ich angefangen habe nur "Ja" zu sagen, um all diese Erfahrungen nachzuholen. Bisher bereue ich nicht oft öfters "Nein" gesagt zu haben.

  • #2

    Anna (Dienstag, 24 März 2020 21:31)

    Wie immer ein wunderbar geschriebener Text ☺️
    Nein sagen muss wirklich gelernt sein.

  • #3

    Frank Tapken (Mittwoch, 25 März 2020 13:47)

    Ein super Text, sehr gut geschrieben.
    Ist absolut mein Thema. Ich danke dir.
    Alles Liebe �